Cool bleiben. Wie Sie die neuen Empfehlungen zum Hitzeschutz in der Pflege umsetzen

von Pascal Tschörtner, bpa-Geschäftsführer - Geschäftsbereichsleiter stationäre Versorgung

Hitze stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Allein im Jahr 2022 kam es nach Hochrechnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) in Deutschland zu 4.500 hitzebedingten Todesfällen; 2018 waren es 8.700. Nachdem die Bundesregierung das Thema daher im vergangenen Jahr zur Priorität erklärt und den Qualitätsausschuss Pflege entspre- chend beauftragt hatte, liegen nun bundeseinheitliche Empfehlungen zum Einsatz von Hitzeschutzplänen in Pflegeeinrichtungen vor.

Der bpa war von Beginn an intensiv in den Prozess eingebunden, zunächst als einer von zwei Vertretern der Leistungserbringer der Pflege in den Hitzeschutzkonferenzen des Bundesministeriums für Gesundheit, später in den Debatten des Qualitätsausschusses. Der bpa hat von Beginn an darauf hingewiesen, dass Maßnahmen zum Hitzeschutz seit jeher zum Alltagsgeschäft der Pflegeeinrichtungen gehören. Es war für uns daher zentral, keine neuen bürokratischen Belastungen herbeizuführen; weder sollten die empfohlenen Hitzeschutzmaßnahmen künftig jeweils einzeln dokumentiert werden müssen noch Teil von Qualitätsprüfungen sein. Stattdessen ging es darum, mit den Empfehlungen zum Hitzeschutz auf den bisher schon durchgeführten Maßnahmen aufzusetzen und Anhaltspunkte zu geben für die Evaluierung und Weiterentwicklung des eigenen Handelns.

Einrichtungsindividueller Hitzeschutzplan und verantwortliche Personen

Die Empfehlung sieht die Erstellung eines einrichtungsindividuellen Hitzeschutzplans mit konkreten und umsetzbaren Maßnahmen vor. So sollen die pflegebedürftigen Personen und im Rahmen des Arbeitsschutzes selbstverständlich auch die Beschäftigten vor den gesundheitlichen Folgen von Wärmebelastungen geschützt werden. Jede Pflegeeinrichtung sollte nun rechtzeitig klären, wer in der Einrichtung für das Thema Hitzeschutz verantwortlich ist (z. B. die Einrichtungsleitung). Die zwischenzeitlich geforderte verpflichtende Benennung eines zentralen Hitzeschutzbeauftragten konnte glücklicherweise verhindert werden. Vielmehr soll jede Pflegeeinrichtung für sich individuell entscheiden, wie Ansprechpartner und Zuständigkeiten organisiert sind.

Das Hitzeschutzkonzept sollte Hinweise dazu enthalten:

  • wer (z. B. verantwortliche Person)
  • wen (z. B. Leitungen der betroffenen Organisationseinheiten)
  • wann (abhängig von Art der Information)
  • über was (z. B. bevorstehendes Hitzeereignis, konkret zu ergreifende Maßnahmen bei Eintritt des Hitzeereignisses)

informiert.

Newsletter des Deutschen Wetterdienstes

Das Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gewährt Zugang zu verlässlichen Informationen über die lokale Wettersituation und ermöglicht somit eine entsprechende Vorbereitung. Der Qualitätsausschuss empfiehlt den Einrichtungen deshalb die Anmeldung zum Newsletter des DWD (www.hitzewarnungen.de). Insbesondere ambulante Pflegedienste und teilstationäre Pflegeeinrichtungen sollten zudem die Angehörigen ihrer Kunden auf diesen Service hinweisen.

Sensibilisierung und Schulung

Die Aufklärung aller betroffenen Personen über das Thema Hitze, die daraus resultierenden möglichen gesundheitlichen Folgeerscheinungen sowie vorbeugende Maßnahmen sollte stets Teil von Hitzeschutzmaßnahmen sein. Ebenso sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Thema vertraut gemacht und entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten geschult werden. Die Empfehlung gibt dazu entsprechende Hinweise und Anregungen für mögliche Schulungsinhalte.

Weitere Empfehlungen

Darüber hinaus enthält die Empfehlung konkrete, an die jeweilige Versorgungsform (vollstationär, teilstationär, ambulant) angepasste, Vorschläge zu Maßnahmen sowohl im Vorfeld als auch bei Eintritt eines Hitzeereignisses.

Für vollstationäre Pflegeeinrichtungen werden u.a. folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • die Erfassung des hitzerelevanten Ist Bauzustandes sowie die Funktionsprüfung von Jalousien o. ä.,
  • die konzeptionelle Planung von kühlen Zonen bzw. Sonnenschutzkonzepten für Außenbereiche,
  • die Initiierung der ärztlichen Überprüfung der Medikation,
  • die Prüfung der Lagerungsbedingungen für (hitzeempfindliche) Arzneimittel,
  • die Bestandsprüfung bzw. Bevorratung mit Trinkwasser, leichter Wäsche etc. oder
  • die Vorbereitung eines Sommerspeiseplans

Weil ambulante Pflegedienste in der Häuslichkeit der pflegebedürftigen Person sowie zeitlich begrenzt im Rahmen der jeweilig in Anspruch genommenen Leistung tätig werden, können die o.g. vorgeschlagenen Maßnahmen nicht Eins zu Eins übertragen werden. Hier stehen die Information und Beratung der pflegebedürftigen Person und ihrer Angehörigen (z.B. zur Lagerung von Medikamenten, zu hitzebedingten Symptomen, geeigneter Ernährung oder Bekleidung) im Vordergrund. Auch für die Tagespflege, die ebenfalls nur zeitlich begrenzt und in Ergänzung der häuslichen Versorgung erfolgt, nimmt die Empfehlung eine differenzierte Betrachtung vor.

Alle Hitzeschutzpläne, egal ob der eines Pflegeheimes, einer Tagespflege oder eines ambulanten Dienstes, sollten zudem Aussagen zur personenbezogenen Risikobewertung enthalten. Das gilt insbesondere für das Vorgehen bei der Identifikation potenziell in besonderem Maß betroffener pflegebedürftiger Personen.

Neue Verpflichtungen konnten vermieden werden

Auch bisher wurde die Verantwortung für den Hitzeschutz durch die Pflegeeinrichtungen in einem hohen Maße wahrgenommen. Mit der Empfehlung liegt nun weiteres Rüstzeug für die Praxis vor, um den Hitzeschutz für die pflegebedürftigen Personen, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu optimieren. Die Empfehlung nimmt gleichzeitig eine Einordnung dessen vor, was im Rahmen der jeweiligen Versorgungsform möglich und umsetzbar ist. Dem bpa ist es in diesem Zusammenhang gelungen, darauf hinzuwirken, dass keine neuen Verpflichtungen für die Pflegeeinrichtungen eingeführt wurden und Doppelvorgaben aufgrund eventuell bereits bestehender Regelungen in den jeweiligen Bundesländern vermieden wurden. Soweit es beispielsweise schon Musterhitzeschutzpläne im Land oder individuelle Verfahren in der einzelnen Einrichtung gibt, gelten diese fort. Es war dem bpa ein zentrales Anliegen, die Empfehlung möglichst unbürokratisch und praxisnah zu gestalten. Dies ist gelungen.

Strukturelle und finanzielle Unterstützung fehlt

Bis zuletzt drohten die Verhandlungen daran zu scheitern, ein gemeinsames Verständnis von Leistungserbringerverbänden und Kostenträgern zur Refinanzierung solcher Aufgaben beim Hitzeschutz vorzunehmen, die bisher noch nicht umgesetzt werden. Für den bpa stand unzweifelhaft fest, dass keinerlei neue Aufgaben entstehen dürfen, ohne dass es auch eine Aussage zur Refinanzierung dieser gibt. Am Ende konnte wenigstens eine klare Empfehlung zur Berücksichtigung aller zusätzlich anfallender Ressourcen abgegeben werden.

Es bleibt jedoch grundsätzliche Kritik: Das größte Potenzial für einen optimalen Hitzeschutz liegt nach wie vor in baulichen Anpassungen und Veränderungen. Damit aber werden die Träger komplett allein gelassen, weil es an struktureller und finanzieller Unterstützung fehlt. Das Förderprogramm des Bundes zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen darf von privaten Trägern nicht genutzt werden – die Hälfte des Marktes ist damit von vornherein ausgeschlossen. Auch die Länder stellen keine entsprechenden Förderungen zur Verfügung. Der bpa wird sich weiterhin für diese dringend erforderliche Unterstützung einsetzen.

Die Empfehlung steht nach Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit auf der Webseite des Qualitätsausschusses Pflege zum Download zur Verfügung.